Zinsen für die Aussetzung der Vollziehung von Steuerbescheiden - was sollten Steuerschuldner tun
- Worum geht es ?
Das Bundesverfassungsgericht hat 2021 die Verfassungswidrigkeit der Nachzahlungszinsen festgestellt und dem Gesetzgeber aufgegeben, eine geänderte Verzinsung zu beschließen, ab dem 01.01.2019. Die Zinsen reduzierten sich für alle Steuerpflichtigen ab dem 01.01.2019 von 0,5 % pro Monat auf 0,15 %. Nun geht es um die Aussetzungszinsen; das sind die Zinsen die Sie nachentrichten müssen, wenn ein Steuerbescheid auf ihren Antrag hin von der Vollziehung ausgesetzt wird und im Nachhinein dann entschieden wird, dass die Feststellung im Steuerbescheid insgesamt oder teilweise rechtmäßig waren. Sie müssen dann auf die geschuldete Steuerschuld Zinsen entrichten. Diese Frage der Rechtmäßigkeit der Zinsen wurde nun von dem BFH dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt.
Worum geht es in dem Vorlagebeschluss von Mai dieses Jahres 2024?
Im deutschen Steuerrecht gibt es verschiedene Verzinsungstatbestände, beispielsweise die Verzinsung von Steuernachforderungen und Erstattungen, Stundungszinsen und Zinsen bei Aussetzung der Vollziehung (AdV). Bei einer Aussetzung der Vollziehung setzt die Finanzbehörde die Vollziehung der fälligen Steuern auf Antrag des Steuerpflichtigen ganz oder teilweise aus. Das ist wichtig, denn ein Einspruch oder eine Klage bewirken nicht, dass die Fälligkeit der Steuerzahlung gehemmt wird.
Die AdV bewirkt also, dass die Finanzbehörde vorläufig nicht mehr vollstrecken darf. Dem Steuerpflichtigen droht bei endgültigem Misserfolg des Rechtsbehelfs für die Dauer der Aussetzung der Vollziehung und in Höhe des ausgesetzten Betrags nur die Belastung mit AdV-Zinsen. Durch die spätere Zahlung steht der geschuldete Betrag (wirtschaftliche Leistungsfähigkeit vorausgesetzt) länger zur Verfügung und kann zum eigenen wirtschaftlichen Vorteil genutzt werden. Vorrangiger Zweck der AdV-Zinsen ist es daher, diesen Liquiditätsvorteil in typisierter Höhe abzuschöpfen.
Jedoch verpflichtet der allgemeine Gleichheitssatz des Grundgesetzes den Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Differenzierungen bedürfen stets der Rechtfertigung durch Sachgründe. Der Gleichheitssatz ist dann verletzt, wenn sich ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonst wie sachlich einleuchtender Grund für eine gesetzliche Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden lässt.
Im Rahmen der Neuregelung hat der Gesetzgeber jedoch mit voller Absicht die Senkung des Zinssatzes nur für Nachzahlungs- und Erstattungszinsen vorgenommen.
Diese Begründung überzeugt den BFH nicht und kann nach seiner Ansicht die unterschiedlichen Zinssätze bei AdV-Zinsen und Nachzahlungszinsen nicht rechtfertigen. Der BFH hat daher diese Frage dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt.
Es trifft nach Ansicht des BFH nicht zu, dass Steuerpflichtige keinen Einfluss darauf haben, ob und in welcher Höhe Nachzahlungszinsen entstehen. Nachzahlungszinsen können beispielsweise vermieden werden, indem die Höhe der Steuervorauszahlungen auf Antrag nach oben angepasst wird, freiwillige Zahlungen erbracht werden oder indem die Steuerpflichtigen ihren Mitwirkungspflichten zeitnah nachkommen. Zwar können Steuerpflichtige beeinflussen, ob AdV-Zinsen entstehen. Sie entscheiden grundsätzlich frei, ob sie die AdV beantragen oder ob sie den geschuldeten Betrag sofort entrichten.
Der BFH führt noch ein weiteres Argument für die Verfassungswidrigkeit an. Die hohen Zinssätze für AdV-Zinsen könnten Steuerpflichtige aus finanziellen Gründen davon abhalten, ihre Rechte gegenüber der Finanzverwaltung durchzusetzen. Auf diese Weise beschränkt die Zinshöhe den Zugang zu effektivem Rechtsschutz zumindest mittelbar und könnte einen Verstoß gegen den Justizgewährungsanspruch darstellen.
Was ist durch Steuerpflichtige zu veranlassen?
Wenn Sie einen Steuerbescheid erhalten, der Zinsen festsetzt für die Zeit der Aussetzung der Vollziehung legen Sie fristgemäß Einspruch ein und beantragen die Aussetzung der Vollziehung bis zu einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über den Vorlagebeschluss des BFH - Az. VIII R 9/23. Sie müssen aber damit rechnen, dass unter Umständen das Bundesverfassungsgericht oder dann der Gesetzgeber Ihnen geringere Zinsen nicht für den gesamten Zeitraum zuspricht, sondern bspw. nur für einen geringeren Zeitraum. Das Gute aber : auf die Aussetzungszinsen können nicht erneut Zinsen erhoben werden, aber Sie wissen ja, in Deutschland weiß man nie…