Für Anleger WIRECARD - Haftung Wirtschaftsprüfer
Worum geht es?
Wie bekannt, sind Klagen wegen der Haftung des Abschlussprüfers wegen der Erstellung von Bilanzen für die WIRECARD anhängig, um die Voraussetzungen für eine Haftung zu prüfen. Das OLG München hat mit Verfügung vom 09.12.2021 zu dem Az. 8 U 6063/21 einige wegweisende Punkte für die mögliche Haftung des Abschlussprüfers zusammengefasst.
Die Verfügung bezieht sich auf das konkrete, zu diesem Aktenzeichen geführte Verfahren, kann jedoch wegweisend auch für andere Verfahren gelten.
Danach soll (so die Rechtsauffassung OLG München) die Entscheidung des Landgericht München die erging, bezüglich der fehlenden Kausalität, nicht haltbar sein.
Das Landgericht hatte eine Kausalitätsvermutung wegen fehlerhafter Bestätigungsvermerke und damit verbunden das Hervorrufen positiver Anlagestimmung verneint.
Das OLG München stellte dazu fest, dass nach der Rechtsprechung des BGH ein Kausalzusammenhang zwischen einem Unternehmensbericht und einem Kaufentschluss des Anlegers vermutet wird, wenn die Aktie nach Veröffentlichung eines Unternehmensberichts erworben wurde.
Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Anleger den Bericht gelesen oder gekannt hat. Ausschlaggebend ist, dass der Bericht die Einschätzung eines Wertpapiers in Fachkreisen mitbestimmt und damit eine Anlagestimmung erzeugt. Diese Stimmung kann der Erwerber für sich in Anspruch nehmen. Sie endet, wenn im Laufe der Zeit andere Faktoren für die Einschätzung des Wertpapiers bestimmend werden, etwa eine wesentliche Änderung des Börsenindex, der Konjunktureinschätzung oder aber neuere Unternehmensdaten wie etwa ein Jahresabschluss.
Soweit das Gericht hierzu keine eigene Sachkunde vorweisen kann, muss zu dieser Frage in der Regel ein Sachverständigengutachten eingeholt werden. Das OLG München ging in dem vorliegenden Fall davon aus, dass die vorgelegten Anlagen des Klägers durchaus geeignet sind/waren, eine positive Anlagestimmung zu erzeugen (uneingeschränkte Bestätigungsvermerke der Wirtschaftsprüfer).
Der BGH hat aber auch die Veröffentlichung neuer Unternehmensdaten, wie etwa eines Jahresabschlusses, ausdrücklich für geeignet gehalten, um eine positive Anlagestimmung wieder zu beenden.
Dann muss die Veröffentlichung eines solchen Jahresabschlusses mit positivem Testat im Umkehrschluss geeignet sein, eine solche positive Anlagestimmung erst zu begründen oder fortzusetzen.
Der Bestätigungsvermerk ist aber ein unternehmensexternes Informationsinstrument und kann daher hinsichtlich seiner Wirkung auch nicht isoliert betrachtet werden. Die Bestätigungsvermerke der Beklagten haben eine positive Anlagestimmung erzeugt und nach der Rechtsprechung des BGH wird mit dem Erfahrungssatz für die Dauer des Haltens dieser positiven Anlagestimmung davon ausgegangen, dass ca. ein Jahr ab Bestätigungsvermerk von einer positiven Anlagestimmung zu Gunsten der Anleger auszugehen ist.
Jedenfalls war die Erteilung des Testats/Bestätigungsvermerke in der Regel Voraussetzung dafür, dass die Anleger Aktien gekauft haben und bei Kenntnis der verschwiegenen Machenschaften nicht gekauft hätten. Im Jahr 2019 wurde das Testat versagt, was letztendlich dazu führte, dass über das Vermögen der Wirecard AG das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Der Senat geht daher davon aus, dass das Insolvenzverfahren auch eröffnet worden wäre, wenn der Bestätigungsvermerk zeitlich eher nicht erteilt worden wäre. Dieses wiederum hätte dazu geführt, dass Anleger die Aktien ab diesem Zeitpunkt nicht erworben hätten.
Hinsichtlich des Umfangs der Schadensberechnung, hat der Senat darauf hingewiesen, dass die Erstattung des sogenannten Kursdifferenzschadens in Betracht kommen könnte. Verlangt der Anleger Naturalrestitution, durch Rückabwicklung der Anlageentscheidung, muss er die Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Anlageentscheidung nachweisen. Verlangt er hingegen den Kursdifferenzschaden, lässt der BGH die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für die fehlerhafte Preisbildung genügen.
Der Anleger muss daher bei der Geltendmachung des Kursdifferenzschadens lediglich beweisen, dass, wäre die Pflichtverletzung nicht erfolgt, der Kurs zum Zeitpunkt seines Kaufs niedriger gewesen wäre, als er tatsächlich war.
Im Weiteren hat das OLG München gerügt, dass das Landgericht den ausgewerteten Bericht zur Sonderprüfung nicht ohne Einholung eines Gutachtens mit sachverständiger Beurteilung beurteilen könne.
Insbesondere hat das Landgericht nicht dargelegt, über eigene Sachkunde zu verfügen, um beurteilen zu können, ob sich aus dem Sonderprüfungsberichts Pflichtverletzungen der beklagten Wirtschaftsprüfungsgesellschaft ergeben könnten. Unter anderem auch aus diesen Gründen hat das OLG München daher erwogen, das Verfahren zur Durchführung der erforderlichen und umfangreichen Beweisaufnahme, an das Landgericht zurückzuverweisen.
Interessant scheint jedoch auch, dass das OLG München davon ausgeht, dass aufgrund der anhängigen Parallelverfahren auch die Einleitung eines Verfahrens nach dem Kapitalanleger Musterverfahrensgesetz (KapMuG) erwogen werden kann, wenn dieses mindestens 10 Kläger beantragen oder bereits beantragt haben. Das Kapitalanlegermusterverfahren kann jedoch nur dann beantragt werden, wenn der Antrag im ersten Rechtszug gestellt wird, mithin vor dem Landgericht.
Das OLG München hat im Zusammenhang mit der Frage, ob ein Kapitalmusterverfahren möglich ist, darauf hingewiesen, dass der Bestätigungsvermerk eine öffentliche Kapitalmarktinformation darstellt, da er ein unternehmensexternes Informationsinstrument ist.
Darüber hinaus dürften auch Ansprüche aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 331 HGB und aus § 820 BGB für das Kapitalmusterfahren fähig sein.
Der Anspruch mag sich dabei insbesondere gegen Emittenten, Anbieter und sonstige Prospektverantwortlichen richten.
Aus unserer Sicht ist es daher angeraten, dass Anleger, die die Inanspruchnahme der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young erwägen, sich anwaltlich beraten lassen.
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